
Turmbau zu Babel

Ob skurril, berührend, bedeutend oder einfach kurios – Im Museum erzählt die Geschichten hinter Ausstellungsstücken aus Museen in ganz Österreich und darüber hinaus. Wir sprechen mit Kurator:innen, Forscher:innen, Sammler:innen – und manchmal direkt mit den Objekten selbst.
Mal geht es um Arbeitshosen, Bidets, Orakelfragen oder Haifischzähne. Mal um große Namen und kunsthistorische Meisterwerke. Dabei sind unsere Formate sind so vielfältig wie die Museen selbst:
🎧 Objekte – kurze Episoden mit einem klaren Fokus auf ein einzelnes Ausstellungsstück
🎧 Im Museum mit… – persönliche Rundgänge mit spannenden Menschen durch ein Museum
🎧 Reportagen & Features – tiefere Einblicke in Ausstellungen, Themenwochen und Institutionen
Im Museum bringt Kunst, Kultur und Geschichte dorthin, wo du gerade bist – auf dem Sofa, in der U-Bahn oder beim Spazierengehen.
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Der Turmbau zu Babel von Pieter Bruegel dem Älteren ist ein Meisterwerk über menschliche Überheblichkeit. Die Menschen wollen Gott herausfordern, indem sie einen Turm bauen, der bis in den Himmel reicht. Doch schon auf den ersten Blick ist klar: Diese Architektur ist zum Scheitern verurteilt. Der Turm neigt sich gefährlich nach links, als würde er jeden Moment auf die Stadt kippen. Bruegel zeigt unmissverständlich: Wer glaubt, den Himmel aus eigener Kraft erreichen zu können, wird am Ende stürzen.
Das eigentlich Faszinierende ist jedoch nicht die monumentale Größe des Turms, sondern das, was in und um ihn herum passiert. Bruegel hat die Leinwand mit Szenen des menschlichen Alltags gefüllt – mit Arbeitern, Maschinen, Abläufen. Überall wird geschuftet, gebaut, organisiert. Und mittendrin, fast unsichtbar, sitzt ein Mann an einem Bach. Er verrichtet seine Notdurft. „Er scheißt, um genau zu sein“, sagt Daniel Uchtmann, Kunsthistoriker am Kunsthistorischen Museum Wien, das Bruegels Original heute beherbergt.
Dieser winzige, beinahe übersehbare Moment ist der Schlüssel zum Bild. Denn genau darum geht es Bruegel: den Menschen in all seiner Widersprüchlichkeit zu zeigen – in seiner Großartigkeit und seiner Kleinlichkeit. Während wir himmelhohe Türme errichten, bleiben wir doch an die simpelsten Bedürfnisse gebunden. Der Mensch, so sagt uns dieses Bild, kann die Natur nicht überlisten – weder die Welt um ihn herum noch die Natur in ihm selbst.
Noch absurder wird es, wenn man die Architektur des Turms genauer betrachtet. Die kreisrunden Eingänge führen allesamt ins Zentrum, wo sich die Wege immer weiter verengen, bis schließlich kein Durchkommen mehr ist. „Bruegel denkt sich eine Architektur aus, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist“, erklärt Uchtmann. Und selbst wenn man es bis ganz oben schafft, wartet dort kein Triumph – sondern ein Abgrund. Als würde Bruegel leise lachen, während er zeigt, dass all unsere Mühen ins Leere laufen.
Und doch ist der Turmbau zu Babel kein zynisches Bild. Es zeigt nicht nur die Grenzen des Menschen, sondern auch seine Energie. Seine Fähigkeit zu träumen, zu planen – und, ja, auch zu scheitern. Das Werk lädt ein, genauer hinzusehen, sich in den Details zu verlieren, Fragen zu stellen: Was treibt uns an, immer weiter nach oben zu wollen? Ist es die Hoffnung, das Unmögliche zu erreichen? Oder doch die Angst, unten zu bleiben?
Bruegels Gemälde ist wie eine Zwiebel – architektonisch wie symbolisch. Es erzählt von Zeit, von Hybris, von einer Sinnsuche, die sich gelegentlich selbst verliert. Aber vor allem erinnert es uns daran, dass Kunst nicht immer Antworten geben muss. Manchmal reicht es, wenn sie uns innehalten lässt. Oder wie Daniel Uchtmann es sagt: „Ein gigantisches Bild, das zum Nachdenken anregt – und vor allen Dingen zum langen, langen Anschauen.“