Ein scheuer Brief an den Doppelgänger: Freud und Schnitzler

Im Sigmund Freud Museum in Wien zeigt uns Daniela Finzi einen Brief, den Sigmund Freud 1922 an Arthur Schnitzler schrieb. Eine Einladung in die Berggasse 19, die erste bewusste Begegnung der beiden Wiener Größen. Verrückt, dass sie sich nicht schon längst getroffen hatten, wo sie doch in derselben Stadt lebten und sich mit so ähnlichen Themen beschäftigten.

Freud nannte es Doppelgänger-Schäu. Eine Art scheue Distanz, die beide Männer trotz ihrer Parallelen voneinander fernhielt. Beide waren sie Mediziner, beide schrieben sie, beide erforschten sie die Tiefen der menschlichen Psyche – Freud mit der Psychoanalyse, Schnitzler in seinen literarischen Werken. Doch während sie sich gegenseitig lasen und beobachteten, hielten sie Abstand. War es Angst, das eigene Territorium zu verlieren? Oder einfach nur die Vorsicht vor dem Spiegelbild des anderen?

Im Wien der Jahrhundertwende, wo die Kaffeehäuser als Brutstätten der Kreativität galten, stellte man sich gern vor, alle großen Köpfe säßen gemeinsam an einem Tisch. Freud, Schnitzler, Wittgenstein, Klimt – alle vereint im intellektuellen Austausch. Doch die Realität war anders. Jeder saß an seinem eigenen Tisch, hörte dem anderen zu, aber blieb doch für sich. Eine stille Übereinkunft, die vielleicht mehr über die damalige Zeit verrät als jedes gesellige Beisammensein.

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